header banner
Default

Auch ZWP online, das Nachrichtenportal für die Dentalbranche, führt eine mitreißende Recruiting-Kampagne zur Suche nach Nachfolgern durch


Und Action! Nachfolgersuche mit mitreißender Recruiting-Kampagne

Foto: beast01 – stock.adobe.com

Knifflige Nachfolgersuche – Mehr Zahnärzte braucht das Land!

Der Zahnarzt einer Kleinstadt findet keinen Nachfolger und lässt die Stadt wissen, dass die Praxis schließen wird. Die Geschichte könnte hier enden, Praxis zu, Patientenversorgung vorbei, oder erst richtig losgehen – wie die sächsische Bergstadt Ehrenfriedersdorf zeigt. Mit außergewöhnlichem Engagement vonseiten der Stadtverantwortlichen wird der Praxisschließung mit einer breit angelegten Kampagne entgegengewirkt, die einmalig in Deutschland ist. Dabei wirbt der Ort nicht nur um die Zahnarztnachfolge, sondern räumt zugleich mit einem verstaubten Provinzimage auf. Denn fest steht: Das idyllische Ehrenfriedersdorf hat für alle Generationen etwas zu bieten und ist bereit, sich für den Erhalt einer modernen und attraktiven Infrastruktur, die eine zahnärztliche Grundversorgung miteinschließt, medienwirksam einzusetzen.

Der 30. Juni war Stichtag: Dr. Volker Scheithauer, bis dato langjähriger Zahnarzt im erzgebirgischen Ehrenfriedersdorf, verabschiedete sich zum Monatsende aus dem aktiven Berufsleben und ging altersbedingt in den Ruhestand. Seine Praxis mit derzeit zwei Behandlungszimmern und das mit der Praxis eng verbundene und eingespielte Team, wollte er zuvor an einen Nachfolger übergeben, den er jedoch, trotz aktiver Suche, nicht finden konnte. Zwar ist deshalb die Praxis in der Annaberger Straße 12 vorerst geschlossen, seit mehreren Wochen aber läuft eine crossmediale Kampagne, die für eine Neubesetzung der Praxis wirbt und dabei ausgesprochen modern und mit einer mitreißenden Prise Lokalpatriotismus auf die Besonderheiten und Vorteile der Region und der 20.000 Einwohner eingeht.

Patientenstimmen sichtbar gemacht

VIDEO: Düsteres Marschland! PIONEERS OF PAGONIA (01) | Early Access [Deutsch]
Writing Bull

Als Teil der Ehrenfriedersdorfer Recruitment-Kampagne kommen auch die Patienten von Dr. Scheithauer zu Wort. In einem Kurzvideo äußert ein Patient seine Enttäuschung über die Schließung der Praxis und hofft zugleich, dass sich doch noch ein Nachfolger für „diese tolle Praxis“ finden wird. Denn am Ende sind die Patienten die Leidtragenden, die für zahnmedizinische Belange zum Teil weite, ortsübergreifende Wege in Kauf nehmen müssen. Die zweite, noch bestehende Zahnarztpraxis im Ort hat keine Kapazitäten, den Patientenstamm der Scheithauer-Praxis 1:1 zu übernehmen.

Recruiting im Social-Media-Zeitalter

VIDEO: GRIMME // Der Doppelte Imagefilm // Recruitingfilm
Al Dente Entertainment

Im Zentrum der Kampagne, die vor allem über soziale Netzwerke gestreut wird, steht ein professionell angefertigtes Recruiting-Video, in dem verschiedene Akteure zu Wort kommen und hochmotiviert die Werbetrommel für Ehrenfriedersdorf rühren: Neben Bürgermeisterin Silke Franzl, die den familienfreundlichen Ort kurz vorstellt und Interessenten versichert, dass ihnen die Stadt bei einem Zuzug mit Rat und Tat zur Seite stände, äußert sich eine Praxismitarbeiterin mit ihrem Wunsch, auch weiterhin in der Praxis arbeiten und für Patienten vor Ort da sein zu wollen, und nicht zuletzt betont Zahnarzt Dr. Scheithauer, dass er über die vergangenen Jahre in die umsatzstarke Praxis verschiedentlich investiert hat und sich so die Praxis in einem modernen Zustand mit Potenzial für Erweiterungen befindet. Das Video ist ausgesprochen ansprechend, mit einer klaren Message: Wer nicht nach Ehrenfriedersdorf kommt, ist selbst schuld! Denn der Ort präsentiert sich nicht nur als einladender Arbeitsmittelpunkt mit einem treuen und dankbaren Patientenstamm, verlässlichen Mitarbeitern und einer einmaligen grünen Kulisse, sondern auch als ein Ort, an dem es sich als Familie mehr als gut leben lässt. Das heißt, vor allem für jüngere Zahnärzte, die mitten in der Familienplanung sind oder eine Familie mit Kleinkindern haben, entfaltet sich Ehrenfriedersdorf als ideale Kombination aus beruflicher Selbstbestimmung und familiärer Nähe und Verbundenheit.

Recruiting für morgen schon heute!

VIDEO: T.CON // Recruitingfilm
Al Dente Entertainment

Herr Haase, als Stadtkümmerer von Ehrenfriedersdorf haben Sie die Recruiting-Kampagne initiiert – wie sind Sie auf die Idee dazu gekommen?

Als mir Dr. Scheithauer im März dieses Jahres mitteilte, dass sein Ruhestand naht und er trotz intensiver Bemühungen keinen Praxisnachfolger finden konnte, bin ich umgehend auf die Bürgermeisterin Frau Franzl zugegangen. Um eine Unterversorgung abzuwenden, kam uns zuerst die Idee einer Anzeigenplatzierung in der Zeitung. Doch fast sofort war uns klar, dass dies in der Masse untergehen würde, und wer interessiert sich schon für eine Praxis im ländlichen Raum? Also mussten andere Ideen her. Durch den Austausch mit Personen aus meinem Netzwerk, die Unternehmen in Personalangelegenheiten beraten, kristallisierte sich heraus, dass wir über ein Recruiting gehen sollten. Und zwar nicht im klassischen Sinne, bei dem ein beauftragter Dienstleister Personen im Arbeitsmarkt gezielt kontaktiert und versucht abzuwerben – das ließe sich bei der Masse an Zahnärzten in Deutschland nicht realisieren und würde auch nicht die Vorteile einer Landpraxis vermitteln können –, sondern in Form einer Social-Media-Kampagne, in der wir das transportieren, was unsere Region auszeichnet. Und da dies eine Menge ist, reichen nicht Bilder, sondern braucht es ein Video.

Woher rührt das Imageproblem der „Provinz“ in Deutschland?

Hierfür gibt es diverse Gründe: Nach der politischen Wende wurden viele Betriebe geschlossen und ehemalige Mitarbeiter suchten sich Arbeit in den Altbundesländern. Einige davon pendelten, andere zogen ganz weg. Damit schrumpften die Bevölkerungszahlen erstmals signifikant. Nur ein paar Jahre später (Anfang der 2000er-Jahre) konnten viele Kinder der hiergebliebenen Babyboomer, dazu gehöre auch ich, keine Ausbildungsplätze finden. Damit verließ wiederum ein nicht geringer Anteil der Generation Y die „Provinz“. Einige kehren jetzt immer mal wieder zurück, aber bei Weitem nicht alle. Zudem fehlt es generell in den ländlichen Räumen an Hochschuleinrichtungen, weshalb es junge Abiturienten in die größeren Uni-Städte zieht. Damit wurde die Provinz zu dem, was sie (scheinbar) ist: in der Wahrnehmung provinziell, wo die Läden spätestens 18 Uhr schließen, nur alte Menschen leben und es nur schlecht bezahlte Jobs gibt. Allein der Begriff „Provinz“ ist schon negativ behaftet, und mit „großstädtischem Maßstab“ gemessen, mögen diese Charakteristika auf den ersten Blick durchaus stimmen: Es fehlt hier die urbane Fülle und Verfügbarkeit vielerlei Angebote und Services und die Wege für Besorgungen und Versorgungen sind länger. Aber im Umkehrschluss hat man einen ganz kurzen Weg in die Natur und in ein entschleunigtes Leben. Leider wehren sich die „Provinzler“ zu wenig gegen das verstaubte Land-Image, und der öffentliche Diskurs betont viel zu oft die Nachteile des ländlichen Raums, anstelle auf seine Vorteile einzugehen. Man hört von großen Konzernen in Großstädten, dass aber auf dem Land so mancher Weltmarktführer als „Hidden Champion“ beheimatet ist, wissen nur wenige. Hier müssen mehr regionale Marketingideen entwickelt und sichtbar umgesetzt werden, wie unsere Kampagne für die Zahnarztnachfolge. Aber eine Kampagne, für die man Applaus erntet und auch mal ein Preisgeld erhält, reicht eben nicht aus, um ein wirkliches Umdenken in Gang zu setzen. Hier braucht es nachhaltige Investitionen und einen starken kreativen Schwung.

Galerie

coverbild-1-embed_image Abb. 1: Zahnarzt Dr. Volker Scheithauer mit Dennis Ruffing und Joschka Schilhab (von links) während der Dreharbeiten für das Recruiting-Video. Der Clip ist Teil einer großangelegten Social-Media- Kampagne, mit der die Stadt einen Nachfolger für die Praxis finden möchte. © Ronny Küttner, photoron

ehrenfriedersdorf-6-0-embed_image Abb. 2: Ehrenfriedersdorf © jobjabi.de | Joschka Schilhab

ehrenfriedersdorf-7-0-embed_image Abb. 3: Greifenbachstauweiher © jobjabi.de | Joschka Schilhab

zahnarzt-dr-scheithauer-0-embed_image Abb. 4: Dr. Volker Scheithauer © jobjabi.de | Joschka Schilhab

matthias-haase-stanzhg-0-embed_image Abb. 5: Matthias Haase, Quartiersmanager © jobjabi.de | Joschka Schilhab

9d9a8707-portrait-0-embed_image Abb. 6: Silke Franzl, Bürgermeisterin © jobjabi.de | Joschka Schilhab

 

Tragt die Kunde vom Land bis in die Städte

VIDEO: Recruiting Video Produktion - Die 5 besten Stile!
mindnapped - Mit Videos mehr erreichen.

Womit punktet die Provinz – im Gegensatz zur Metropole – am stärksten?

Ganz klar: Die Städte platzen aus allen Nähten; auf dem Land gibt es den benötigten Wohnraum, nach dem sich die Städter sehnen. Und das Tolle dabei: Hier kann man nicht nur Wohnraum mitentwickeln, sondern sich auch in hohem Maße selbst verwirklichen. Für mich bietet das Land eine sehr viel höhere Lebensqualität. Glasfaser war bisher immer ein Argument für größere Städte: Mittlerweile ist es vielerorts verfügbar – Ehrenfriedersdorf zählt dazu. In Zeiten von Arbeits- und Fachkräftemangel gibt es Arbeitsplätze in Stadt wie Land gleichermaßen, wobei aber eben die Landregion nach der Arbeit den Ausgleich in der Natur bietet. Kindergarten- und ausgewählte Schulplätze, die in der Stadt rar sind, finden sich in der Regel leichter auf dem Land. Ich könnte noch viele Vorteile aufführen, letztlich aber finde ich es wichtig, zu betonen, dass wir den ökologischen Wahnsinn mit immer weiter anwachsenden Städten eindämmen sollten; während auf dem Land immer mehr zurückgebaut und Infrastruktur abgebaut wird, ringt man in den Städten um jeden Quadratmillimeter Fläche. Um Klima und Bewohnern etwas „Gutes“ zu tun, fördert man dann die Begrünung von großstädtischen Dächern und Fassaden und auf dem Land fördert man dagegen den Gebäuderückbau. Kurios, oder?

Frau Franzl, warum haben Sie als Bürgermeisterin die Kampagne unterstützt?

Grundsätzlich liegt ja der Sicherstellungsauftrag für die vertragsärztliche und zahnärztliche Versorgung per Gesetz bei der Kassenärztlichen beziehungsweise Zahnkassenärztlichen Vereinigungen der Länder und nicht bei den Bürgermeistern. Im Stadtrat beschäftigen wir uns allerdings schon seit Jahren mit dieser Thematik und stehen im Kontakt mit den hier ansässigen Ärzten und Zahnärzten. Die Kammern sowie Kassen- und Zahnkassenärztlichen Vereinigungen stehen uns dabei offensichtlich mit einer gewissen Ratlosigkeit zur Seite, insbesondere was die medizinische Versorgung im ländlichen Raum betrifft. Eine gesicherte und funktionierende medizinische Grundversorgung ist aber ein ganz wesentlicher Faktor der öffentlichen Daseinsvorsorge und gehört ebenso zu einer lebendigen Stadt wie eine gut ausgebaute Infrastruktur. Insofern betrachte ich es auch als eine gemeinschaftliche Aufgabe, bei der ohnehin schwierigen Herausforderung der Praxisnachfolge die Ärzteschaft vor Ort im Rahmen unserer Möglichkeiten zu unterstützen und als Bürgermeisterin nicht sehenden Auges den Niedergang der medizinischen Versorgung tatenlos zu begleiten. Die drohende Schließung einer Zahnarztpraxis in unserem Ort war nun letztendlich der Anlass, neue und vor allem moderne Möglichkeiten bei der Suche nach einem Nachfolger in Betracht zu ziehen. Über 95 Prozent aller Menschen bewegen sich tagtäglich im Internet und in den sozialen Netzwerken, um sich zu informieren. Weshalb dieses Medium nicht auch für dieses akute Thema nutzen?

Die Kampagne möchte vor allem Reichweite in den sozialen Medien erzielen, waren Sie sofort von diesem Weg überzeugt?

Die bisherigen Werbemittel, wie beispielsweise ein Anzeigendruck oder ein zielgerichteter Einzelhinweis auf einer Internetseite, ergänzen sicherlich ganzheitlich gesehen eine Kampagne, erreichen aber kurzfristig eben nur in einem sehr eingeschränkten Radius mögliche Interessenten. Natürlich stand ich als Bürgermeisterin anfangs einer Kampagne zur Praxisnachfolge in den sozialen Netzwerken mit einer gewissen Skepsis gegenüber. Die sehr gute Beratung und die neuen unkonventionellen Ideen des Recruiting- und Filmteams haben mich nicht nur überzeugt, sondern auch selbst auf neue Ideen gebracht. Dass sich dann die Suche nach einem Praxisnachfolger über die sozialen Netzwerke zu einem landesweit erstmaligen Pilotprojekt entwickelte, überrascht uns selbst sehr.Zudem ist diese Kampagne auch auf große positive Resonanz seitens der Einwohnerschaft getroffen, von zahlreichen Ehrenfriedersdorfern wurde die Botschaft der Nachfolgersuche über die Statuseinträge in ihren Messengerdiensten weit über die Ortsgrenzen hinausgetragen. Diese Art Schneeballsystem hat als flankierende Unterstützung zur Social-Media-Kampagne sicherlich ebenfalls entscheidendes Potenzial, zusätzlich deutschlandweit und direkt die Informationen zu verteilen. Perspektivisch möchten wir natürlich weiterhin unsere Ärzteschaft bei der Suche nach einem Nachfolger oder Kollegen unterstützen, aber wir könnten uns darüber hinaus durchaus auch vorstellen, ähnliche Kampagnen beispielsweise für den gastronomischen oder touristischen Bereich zu starten.

Dieser Artikel ist unter dem Originaltitel: „Und Action! Nachfolgersuche mit mitreißender Recruiting-Kampagne“ in der ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis 07+08/2023 erschienen.

Sources


Article information

Author: Cynthia Kelly

Last Updated: 1703491322

Views: 1094

Rating: 4.2 / 5 (69 voted)

Reviews: 81% of readers found this page helpful

Author information

Name: Cynthia Kelly

Birthday: 1971-07-01

Address: 5085 Garcia Points, Bishopbury, IA 48696

Phone: +3546233091580125

Job: Flight Attendant

Hobby: Skateboarding, Soccer, Card Games, Raspberry Pi, Drone Flying, Sculpting, Motorcycling

Introduction: My name is Cynthia Kelly, I am a clever, exquisite, apt, Open, persistent, artistic, sincere person who loves writing and wants to share my knowledge and understanding with you.